Seit dem 1. Januar dieses Jahres gilt in Deutschland die Mehrwegpflicht: Gastronomische Einrichtungen sind verpflichtet, im Take-away-Bereich eine Mehrwegverpackung als Alternative anzubieten. Ausgenommen sind kleinere Einrichtungen mit weniger als 5 Angestellten oder einer Ladenfläche von weniger als 80 Quadratmetern. Hintergrund ist die stetig steigende Anzahl an Verpackungsmüll in Deutschland: 2020 fielen insgesamt 18,8 Millionen Tonnen an – das entspricht einer Pro-Kopf-Menge von 225,8 Kilogramm pro Jahr!

Unter diesem Aspekt ist die Einführung der Mehrwegpflicht sinnvoll und notwendig. „Positiv ist, dass die Regularien generell dazu geführt haben, dass speziell die großen Systemgastronomen und Gemeinschaftsverpflegungen größtenteils eine alternative Mehrweglösung eingeführt haben“, zieht Relevo-Geschäftsführer Aaron Sperl eine erste Bilanz. Gerade im GV-Segment stoße man auf eine sehr gute Akzeptanz bei Gastronomen und Endnutzern. In anderen Gastronomie-Segmenten spiele vor allem die Kommunikation zu den Konsumenten eine wesentliche Rolle: Betriebe, die Mehrweg aktiv kommunizieren, verzeichnen laut Aaron Sperl auch höhere Ausleihzahlen.

Deutliche Kritik der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

Nach einem halben Jahr zieht auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine erste Bilanz und kommt zum Entschluss einer „katastrophalen Umsetzung.“ Die Einschätzung fußt auf einem Test bei 27 Gastronomieketten: Bei fast zwei Dritteln der getesteten Filialen wurden Verstöße gegen die Mehrwegangebotspflicht festgestellt – rechtliche Schritte folgen!
Barbara Metz, DUH-Bundesgeschäftsführerin: „Dabei handelt es sich nicht um einzelne Ausrutscher, sondern um eine klare Tendenz, Mehrweg regelrecht zu boykottieren. Selbst wenn Mehrweg angeboten wird, ist das Angebot häufig unvollständig oder schlecht gemacht mit beispielsweise deutlich überhöhten Pfandbeträgen.“
Die Defizite bei der Umsetzung der Mehrwegpflicht in der Individual-Gastronomie kann auch Aaron Sperl bestätigen. Zwar habe das Gesetz zu einem Anstieg geführt, doch durch den Einsatz von Bio-Einweg-Verpackungen umgehen diverse Betriebe die Mehrwegpflicht. Bio-Verpackungen sind zwar umweltfreundlicher als solche aus Kunststoff, aber Müll entsteht trotzdem. Zudem blieben viele Betriebe, die einen sehr hohen Take-away-Anteil haben (bspw. Ghostkitchens mit nur Delivery/To-Go) durch die Ausnahmen auf die Betriebsgröße unberührt.
Ein weiteres Problem nach einem halben Jahr Mehrwegpflicht: die Kommunikation zum Gast. In keiner der von der DUH getesteten Filialen wurde aktiv vom Personal auf die Möglichkeit von Mehrwegverpackungen hingewiesen. Dabei würde gerade die Kommunikation zu mehr Akzeptanz und höheren Ausleihzahlen führen.

Gemeinschaftsverpflegung hat bei Mehrweg die Nase vorn

Gegenüber individuellen Gastronomiebetrieben wird die Angebotspflicht in den Betriebsrestaurants wesentlich stärker eingehalten. Das begründet sich auf die Struktur: Gemeinschaftsverpflegungen funktionieren wie ein „geschlossenes System“ mit vielen häufig wiederkehrenden Stammkunden. Aaron Sperl hat zudem noch etwas Erfreuliches festgestellt: „Unserer Erfahrung nach versucht vor allem die Gemeinschaftsverpflegung ihre Gäste aktiv auf die eingeführten Mehrweglösungen aufmerksam zu machen. Das führt dazu, dass oftmals kein Einweg mehr benötigt wird.“ Das liege daran, dass die Entscheider in der GV Mehrweg deutlich stärker forcieren, während in der Individual- und Systemgastronomie eher das reine Einhalten der Regularien vorherrscht.

Zurück bitte: Welchen Vorteil bieten Kreislaufsysteme?

Für die Rückgabe der Mehrwegverpackungen haben sich neben dem klassischen Pfandsystem auch Kreislaufsysteme etabliert. Der Vorteil des Pfandsystems: Für Kunden entfällt eine Registrierung und die Ausleihe kann spontaner erfolgen. Wesentlicher Nachteil: Das Pfand treibt den zu zahlenden Preis in die Höhe. Vor allem bei Sammelbestellungen fallen so im ersten Moment hohe Kosten an.
Als Alternative bieten sich Kreislaufsysteme wie das von Relevo an: Endkunden registrieren sich einmalig und können die Mehrwegbehälter unentgeltlich nutzen – eine Gebühr wird erst fällig, wenn die maximale Ausleihdauer überschritten wird. Ausleihe und Rückgabe erfolgt QR-gesteuert über eine App.
„Die Vorteile des Kreislaufsystems sind messbar hohe Rückgaberaten von 99 % und eine kurze Rückgabedauer von durchschnittlich drei Tagen“, macht Aron Sperl deutlich. Zudem entstünden für die Gastrobetriebe weder Integrations- noch Betriebsaufwände wie Pfandhandling und Clearing. In Kombination mit dem proaktiven Bestands- und Nutzermanagement durch die Systemanbieter sparen laut Sperl die Partner viel Zeit.

Die Tücken der Mehrwegangebotspflicht und mögliche Alternativen

Dass es bei der Mehrwegangebotspflicht Defizite bei der Umsetzung und Einhaltung gibt, haben die Tests der DUH gezeigt. Da Kontrollen fehlen, sehen viele Gastronomen auch keinen Anlass, die Regelung vollumfänglich umzusetzen – unter dem Aspekt sollte hinterfragt werden, wie sinnvoll eine Vorschrift ist, die scheinbar nicht geprüft wird. Hinzu kommen Ausnahmeregelungen (Betriebsfläche/Mitarbeiteranzahl), die Gastronomen verunsichern und die deshalb vorerst nicht aktiv werden und abwarten. Oder aber: Die Angebotspflicht wird umgangen, indem auf Bio-Einweg umgestellt wird. Bio ist zwar ein erster Schritt, doch behebt das nicht die Problematik des Einwegmülls.
Eine Alternative wäre das Tübinger Modell: Eine eigene Verpackungssteuer auf Einweg-to-go-Verpackungen. Auch Aaron Sperl sieht in einer separaten Steuer oder einer Förderung eine Möglichkeit, die Nutzung von Mehrwegverpackungen zu erhöhen: „Die Steuer bzw. Förderung sollte zudem so gestaltet sein, dass eine Ausgabe in Mehrweg auch für den Gastronomen einen tatsächlichen Vorteil hat – da dieser durch aktives Kommunizieren und Platzieren von Mehrweg hin zum Gast aktuell entscheidet, wie stark Mehrweg auch tatsächlich vom Konsumenten am POS genutzt wird oder eben nicht.“
Zudem lohne auch ein Blick auf andere Länder: In den Niederlanden zum Beispiel wurde auf komplexe Ausnahmeregelungen verzichtet.

Fazit: Unbefriedigende Umsetzung der Pflicht, obwohl Mehrweg günstiger ist

Sowohl die Tests der Deutschen Umwelthilfe als auch Erfahrungen des Systemanbieters Relevo zeigen: Das Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesetz führt zwar zu einem Anstieg an nachhaltigen Mehrwegverpackungen, doch fehlen Kontrollen für eine flächendeckende Einhaltung. Hier bedarf es noch Aufklärungsarbeit. Aufgrund steigender Preise – auch im Einwegbereich – sind Mehrwegverpacken inzwischen häufig die günstigere Variante für Gastronomiebetriebe. Zudem zeigen Daten von Relevo, dass sich bei den Mehrwegpartnern die Retention-Rate, der Abstand zwischen einem erneuten Besuch der Gäste, erhöht. Die Einführung eines Mehrwegsystems bringt damit Vorteile auf mehreren Ebenen – Gastronomen erkennen diese meist erst nach Einführung.